Oft hört man durch Hyperventilieren (schnelles und flaches Atmen) kann man länger die Luft anhalten, man sollte es aber nicht versuchen. Der ein oder andere hat es bestimmt schon mal beim Freitauchen (Tauchen ohne technische Hilfsmittel) versucht. Wenn du auch dazugehörst, hast du es also überlebt. Glückwunsch!
Hyperventilation führt zu Ohnmacht
Durch Hyperventilieren vor dem Tauchgang wird man ab einem gewissen Zeitpunkt ohnmächtig, da der natürliche Reiz zum Einatmen verzögert wird. Leider kündigt sich diese Ohnmacht nicht an. Ist die Bewusstlosigkeit erst mal eingetreten, bleibt nicht viel Zeit, bis das Gehirn ganz autonom einen Atemzug einleitet. Dies führt dann zum Einatmen von Wasser in die Lunge, in der Tauchmedizin spricht man dann auch von Aspiration. Um zu verstehen, was zu diesem sogenannten Schwimmbad-Blackout führt, kommt man am Thema Partialdruck nicht vorbei.
Der Kohlenstoffdioxid-Partialdruck im Blut löst den Atemreflex aus
Was ist eigentlich der Partialdruck? Um das zu verstehen, muss man sich die Zusammensetzung der Luft, die wir einatmen, etwas näher anschauen. Sie besteht aus 78% Stickstoff, 21% Sauerstoff, 1% Argon und etwa zu 0,04% aus Kohlenstoffdioxid. Auf Meereshöhe beträgt der Luftdruck in etwa 1013 hPa (Hektopascal). Das heißt, der Sauerstoff-Partialdruck beträgt 21% von 1013 hPa, also 212 hPa. Für den Kohlenstoffdioxid-Partialdruck ergibt sich somit ein Wert von rund 0,40 hPa (0,04% von 1013 hPa). Die Summe aller Partialdrücke entspricht dem Gesamtdruck der Luft (siehe Dalton-Gesetz).
Gas | Volumenanteil % | Partialdruck in hPa (mbar) |
Stickstoff | 78,090 | 791,25 |
Sauerstoff | 20,950 | 212,28 |
Argon | 0,927 | 9,39 |
Kohlenstoffdioxid | 0,039 | 0,39 |
Summe | 100 | 1013,25 |
Die Betrachtung der Partialdrücke ist notwendig, da ein steigender Kohlenstoffdioxid-Partialdruck im Blutkreislauf normalerweise ab einem bestimmten Niveau den Atemreiz auslöst.
Wenn man nun beim normalen Freitauchen, z.B. beim Streckentauchen, die Luft anhält, sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut (grüner Graph in oberer Grafik), gleichzeitig steigt der Kohlenstoffdioxidgehalt stetig an und dessen Partialdruck (roter Graph) wird dadurch immer größer. Ab einem Kohlenstoffdioxid-Partialdruck von etwa 80 mbar kann man den Atemreiz nicht mehr unterdrücken (in der Grafik nach 50 Sekunden). Es kommt zu einem autonomen Atemzug, sogar wenn man ohnmächtig und unter Wasser ist. Dies passiert sowohl beim Apnoetauchen mit, als auch ohne Hyperventilieren, allerdings wird bei normaler Atmung vor dem Abtauchen der Atemreiz so stark, dass man es fast nicht schafft, ohnmächtig zu werden, da man vorher freiwillig auftauchen wird. Eigentlich kann dies nur bei mental extrem trainierten Apnoetauchern passieren, die ihrem Atemreiz sehr lange widerstehen können.
Schwimmbad-Blackout beim Apnoetauchen mit hyperventilieren
Was genau bewirkt die Hyperventilation? Durch das schnelle und flache Atmen vor dem Tauchen wird Kohlenstoffdioxid vermehrt ausgeatmet. Normalerweise liegt der Kohlenstoffdioxid-Partialdruck bei etwa 53 mbar. Durch das Hyperventilieren wird dieser gesenkt. Wie stark hängt von der Intensität und der Dauer des Hyperventilierens ab. Für die folgende Grafik nehmen wir an, der Apnoetaucher hat seinen Kohlenstoffdioxid-Partialdruck auf etwa 25 mbar halbiert. Angenommen, der Apnoist bewegt sich sehr stark beim Tauchen, deswegen fällt auch der Sauerstoff-Partialdruck rasch. Bei diesem Partialdruck liegt die kritische Grenze bei ca. 40 mbar. Wird diese Grenze unterschritten, tritt die Bewusstlosigkeit auf Grund von Sauerstoffmangel ein.
Die Grafik zeigt, dass die Bewusstlosigkeit nach 70 Sekunden Tauchzeit eintritt. Das Abatmen des Kohlenstoffdioxids hat dazu geführt, dass der Reiz zum Einatmen erst viel später eintritt, d.h., unter Umständen hält es der Taucher so lange unter Wasser aus, dass er ohnmächtig wird.
Richtiges Verhalten im Falle eines Blackout
Ist der Apnoetaucher, egal aus welchen Gründen, bewusstlos, muss schnell gehandelt werden. Im Fall der oben stehenden Grafik liegen zwischen Blackout und dem autonomen Atemzug 10 Sekunden. In dieser Zeitspanne dringt i.d.R. kein Wasser in die Atemwege ein, vorausgesetzt der Freitaucher hat keinen Schnorchel im Mund. In dieser Zeit muss der Taucher an die Wasseroberfläche und ins Trockene geholt werden. Sobald Wasser in den hinteren Mundraum gelangt, reagiert ein körpereigener Schutzreflex. Dieser schließt den Kehldeckel (Epiglottis) und es wird versucht das Wasser abzuhusten. Spätestens dann müssen die Atemwege frei und über dem Wasser sein.
Wenn du wissen möchtest wie man sicher und länger Tauchen kann, schau dir die folgenden Trainingstipps fürs Freitauchen an.
Aufstiegs-Blackout beim Freitauchen
Das Aufstiegs-Blackout ist eine besondere Form des Schwimmbad-Blackout. Es kann unabhängig von der erreichten Tiefe beim Auftauchen des Apnoetauchers eintreten. Überwiegend passiert dies beim No-Limit Tauchen. Ein berühmtes Opfer ist der Österreicher Herbert Nitsch. Am 6. Juni 2012 versuchte er seinen eigenen Rekord von 214 Meter zu brechen und auf 244 Meter zu steigern. Er erreichte die gesetzte Marke, aber beim Auftauchen verlor er das Bewusstsein.
Bereits in 10 Meter Tiefe ist der Umgebungsdruck doppelt so groß wie an der Wasseroberfläche. Das sorgt für eine Erhöhung des Sauerstoff-Partialdrucks, da mehr Sauerstoff im Blut gelöst wird je weiter man abtaucht. Der Körper verbraucht weiterhin Sauerstoff. Beim Auftauchen sinkt der O2-Partialdruck nun wieder im Blut und unterschreitet er dabei die Grenze von 40 mbar, kommt es zur Ohnmacht.
Die Bewusstlosigkeit ereilte Herbert Nitsch vermutlich bereits auf 100 Meter Tiefe. Nur weil sein Schlitten (Hilfsmittel zum Auftauchen) ihn schnell auf 15 Meter brachte, wo eigentlich eine kurze Pause zur Dekompression vorgesehen war, überlebte Nitsch. Die Rettungstaucher konnten ihn, als er auf 15 Meter Tiefe angekommen war, schnell genug aus dem Schlitten lösen und an die Wasseroberfläche bringen.